Die Hütte der Hellboms
#2
Unter den Bäumen an der Wiese saß ein kleines Mädchen. Im Arm hielt sie ein Stoffpüppchen und erklärte ihm mit aller Ernsthaftigkeit, zu der ein dreijähriges Kind fähig war, daß die Schmetterlinge, die über der Wiese gauckelten, in Wirklichkeit Elfen waren und man nur ganz ganz genau hinschauen müsste, um das zu sehen.
Das Püppchen hörte schweigend zu. Magdalena hatte es genäht. Und Stine hatte ihm den Namen Lise gegeben. Und nun war sie, Stine, Lises Mama. Und Magdalena war, da sie ja so etwas wie Stines Mama war, natürlich Lises Oma. Auch wenn Stines rechte Mama schon lang vom Himmelsschloß her auf sie acht gab und Magdalena in Wirklichkeit Stines Schwester war. Aber die war ja schon sooooo alt, dass sich Stine sicher war, dass Magdalena auch ihre Mama war.
Während die Beiden, Stine und Lise, weiter den Schmetterlingen zuschauten, war vom Weg her ein Klappern und Rasseln zu hören. Und Getrappel und Geschnauf. Und Stimmen. Stine sprang auf und mit Lise an der Hand lief sie um das Haus herum, um zu sehen, was dort los war. Und das, was sie sah, verwunderte sie nicht im Geringsten. Die Elfen waren so lange als Schmetterlinge herumgeflogen, dass sie jetzt eine für Menschenkinder wie sie besser sichtbare Gestalt angenommen hatten. Und da sie jetzt fast aussahen wie Menschen, konnten sie natürlich nicht mehr fliegen. Deswegen waren die Elfen in zwei Kutschen angefahren, um wieder zu ihrer Wiese zu kommen. Nur wieso waren der Papa und der Michel bei den Elfen?
(Flo)
#3
Magdalena legte die letzten Hefebrötchen in den Korb und deckte ein Leinentuch darüber. Wenn der Vater nach hause kam, würde er Hunger haben. Und Michel auch. Der hatte sowieso immer Hunger. Magdalena machte sich nur Sorgen, wie die Beiden wohl kommen würden. Ob der Michel noch Laufen konnte, wenn die Revision des Vaters keinen Erfolg gehabt hatte. Michel war ein guter Junge. Ein Lausebub, ja. Aber nicht böse. Magdalena konnte sich nicht vorstellen, dass er den Ring wirklich gestohlen hatte. Auch wenn er, wenn sie ihn frage, was denn nun wirklich geschehen war, schwieg wie ein Stockfisch. Und in Wirklichkeit hatte Magdalena die Brötchen auch für ihren kleinen Bruder gebacken. Süße Hefebrötchen mochte er über alles. So wie sie ihn mochte.
Gerade als Magdalena den Korb auf den Tisch stellte, hörte sie von draußen Geräusche, die klangen, als würde ein Pferdewagen vorfahren. Aber wer sollte denn zu ihnen gefahren kommen? Gar mit Pferden! Dann erschrak Magdalena - nicht, dass dem Michel oder dem Vater etwas geschehen wäre und sie jetzt hierher gefahren werden mussten!
So schnell sie konnte lief Magdalena aus der Tür. Dort stand schon Stine und schaute mit großen Augen auf das Schauspiel, was sich ihnen bot. Der Vater und Michel kamen wirklich in einem Pferdewagen angefahren. Aber nicht in einem gewöhnlichen Pferdewagen, wie ihn die Bauern oder die Linienkutsche fuhr. Nein. Es waren zwei Kutschen! Kutschen! Und nicht irgendwelche! Magdalena erkannte sie wohl - es waren die Kutschen des Hofes! Und darin saßen nicht nur der Vater und Michel, sondern auch die Vizekönigin höchstpersönlich! Und ihre Lebensgefährtin, die von Quitzlow! Und noch ein paar andere vom Hofstaat. Und der Vater. Und der Michel. Und der Michel strahlte über das ganze Gesicht wie ein frisch gebackenes Hefebrötchen! Magdalena fiel eine ganze Wagenladung Hefebrötchen vom Herzen.
(Flo)
#4
Die Kutschen bogen vor dem Haus der Hellboms ein und Florabella schaute sich neugierig um. Hier also lebten Michel und Sven. Es war ... nein, romantisch war es nicht. Das Haus sah aus, als wäre es gut in Stand gehalten. Aber keinerlei überflüssiger Luxus. Die Wiese davor gutes Gras. Auch war Heu gemacht und auf Stadel gesetzt. Aber keine Kühe oder Schafe waren zu sehen.
Vor dem Haus standen eine junge Frau und ein kleines Mädchen. Ob das Michels Schwestern waren. Die Frau freute sich anscheinend, die Ankömmling zu sehen. Flori hoffte, dass diese Freude Bruder und Vater galten und nicht dem "hohen" Besuch. Die Kleine schaute nur und staunte.
Dies war einer der Momente, in denen Flori eine Trauer überkam, dass sie wohl nie das Glück haben würde, selbst ein Kind zu haben, Mutter zu sein. Sie fühlte Emmas Blick auf sich und erwiederte ihn, wissend, dass Emma ihre Empfindung teilen konnte.
Emma nahm Floris Hand und öffnete die Tür der Kutsche. Michel, erfrischend frei von jeder Etikette, drängte sich an Vizekönigin und Baronin vorbei und stürzte aus der Kutsche heraus auf seine Schwestern zu, fiel erst seiner großen, dann seiner kleinen Schwester um den Hals und all das heute Erlebte, all das Erfahrene, sprudelte wie ein Wasserfall aus ihm heraus.
Sven war da etwas weltgewandter. Er stieg ebenfalls aus der Kutsche und reichte dann Flori und danach Emma die Hand, um ihnen beim Aussteigen behilflich zu sein. Dann wollte er zur zweiten Kutsche eilen, aber dort hatte bereits Robert diese Aufgabe übernommen, für die er von Christina sowohl eine Umarmung als auch einen Kuss bekam, den er mit einem zärtlichen Streicheln über die Wölbung ihres einer siebenmonatigen Schwangerschaft durchaus angemessenen Bauches beantwortete. Als Flori diese zärtliche Geste sah, gab es ihr einen Stich im Herzen. Sie schaute zu Emma und war unendlich glücklich, als diese ihr, ihre Empfindungen verstehend, einen Kuss gab.
Flori fasste sich und ging lächelnd auf Michels große Schwester zu.
#5
#6
Oh verdammt nochmal! So sehr sich Magdalena freute, Michel wohlbehalten und so überschäumend glücklich wiederzusehen .. was sagte er da von seine Freundin Flori und überhaupt und sowieso? Magdalena war völlig verwirrt. So ein Blödsinn! Andererseits, die Vizekönigin war wirklich hier! Hier! Bei ihrer Hütte und ... und ... und kam jetzt noch auf sie zu! Auf sie! Magdalena!
Magdalena war vollkommen verdattert.
(Flo)
#7
Flori trat an Magdalena heran und streckte ihr zur Begrüßung die Hand entgegen.
"Sie müssen Magdalena sein, von der mir Michel schon erzählt hat. Ich bin Florabella, aber meine Freunde sagen Flori zu mir. Und es würde mich nach all dem, was Michel mir von Ihnen erzählt hat freuen, Sie meine Freundin nennen zu dürfen."
#8
#9
Florabella lächelte Magdalena an und zwinkerte ihr zu. Flüstern sagte sie: "Ey, ich bin auch nur ein Mensch!" Dann setzte sie sich vor Stine ins Gras.
"Sag mal, Du musst doch die Stine sein! Der Michel hat mir von Dir erzählt, weisst Du. Und wer ist das da?"
Florabella zeigte auf Stines Puppe.
#10
#11
Aha. Florabella war also über die Wiese geflogen und die Kleine und ihre Puppen hatten ihr dabei zugeschaut. Gut zu wissen. Irgenwie gefiel Flori die Idee ein Schmetterling zu sein.
"Klar erinnere ich mich! Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass ihr mir jemals gesagt habt, wie Deine Kleine heisst."
#12
Stine schaute die Vizekönigin mit großen Augen an.
"Seit ihr Elfen aber dumm! Das ist doch die Lise, manno. Wir haben Euch so oft zugeschaut, als ihr noch Schmetterlinge wart."
Stine hielt inne und dachte kurz nach. "Aber sag mal, wenn ihr jetzt keine Schmetterlinge mehr seit und fast so ausseht wie die Magddalena, müsst ihr dann nicht auch essen? Mir tut Hunger immer weh und das ist nicht schön. Ihr sollt es doch schön haben. Vielleicht hat die Magdalena ja was zu Essen für Euch?"
(Flo)
#13
Wie jetzt??? Florabella gab es einen Stich im Herzen. Dieses winzige, selbst elfengleiche Menschlein wusste schon, was Hunger ist? Und das in ihrem, Florabellas Fürstentum? Und sie wusste nichts davon? Das ging nicht! Das durfte nicht sein! Nie und nimmer!
"Ich weiß nicht, Stine, was Hunger ist. Und das er weh tut. Und wenn ich kann, möchte ich gern dafür sorgen, dass Du nie wieder Hunger hast! Versprochen!"
Florabella stand auf. Sie schaute erst Magdalena, dann Sven an, der an die Gruppe herangetreten war.
"Stimmt es, dass ihr nicht genug zu essen habt?"
#14
#15
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